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ERBSCHEIN NACH TÜRKISCHEM RECHT: Wo und wie kann man in der Türkei einen Erbschein beantragen?

Aktualisiert: 13. Mai

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Im türkischen Erbrecht stellt der Erbschein, auf Türkisch als "Mirasçılık Belgesi" oder auch "Veraset İlamı" bezeichnet, ein grundlegendes Dokument dar. Seine primäre Funktion ist die amtliche Feststellung und Bescheinigung der Erben eines Verstorbenen sowie deren jeweiliger Erbanteile gemäß der gesetzlichen Erbfolge oder einer letztwilligen Verfügung (Testament).


Die rechtliche Relevanz des Erbscheins ist erheblich. Er dient als unentbehrlicher Nachweis der Erbenstellung gegenüber Behörden, Banken, Grundbuchämtern (Tapu Kadastro) und anderen Institutionen in der Türkei. Für die Abwicklung des Nachlasses – sei es die Umschreibung von Immobilien, der Zugriff auf Bankkonten oder die Regelung sonstiger Vermögenswerte des Erblassers in der Türkei – ist ein gültiger Erbschein in aller Regel zwingend erforderlich. Ohne dieses Dokument können die rechtmäßigen Erben ihre Ansprüche am Nachlass nicht wirksam geltend machen.


Dieser Artikel beleuchtet das Verfahren zur Erlangung eines türkischen Erbscheins. Es werden die Wege der Beantragung über den Notar sowie über das zuständige Gericht erläutert, die in diesem Prozess benötigten Dokumente aufgeführt und die Umstände dargelegt, unter denen eine gerichtliche Beantragung notwendig ist. Ziel ist es, einen umfassenden Überblick über die praktische Handhabung der Erbscheinsbeantragung nach türkischem Recht zu geben.

1. Was ist ein Erbschein?

Der Erbschein, im türkischen Recht als "Mirasçılık Belgesi" oder als "Veraset İlamı" bezeichnet, stellt eine amtliche Urkunde dar. Diese dokumentiert in verbindlicher Weise die Erben eines Verstorbenen sowie deren jeweiligen Erbanteile. Der Erbschein dient als Legitimationspapier für die Erbenstellung und wird von staatlichen Institutionen oder Notaren ausgefertigt. Er weist im Wesentlichen aus, welche Personen aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder testamentarischer Verfügung als Erben bestimmt sind und in welchem Umfang sie am Nachlass beteiligt sind.


2. Warum braucht man einen Erbschein?

Die Notwendigkeit eines Erbscheins ergibt sich unmittelbar aus seiner Funktion als amtliches Beweismittel. Dieses Dokument ist unerlässlich, da die Erben andernfalls ihre berechtigte Rechtsstellung gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber Finanzinstituten, dem Grundbuchamt (Tapu ve Kadastro Genel Müdürlüğü) sowie anderen öffentlichen Stellen und privaten Rechtssubjekten nicht zweifelsfrei nachweisen können.


Der Erbschein ist daher für die Vornahme der folgenden Rechtsgeschäfte und Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Nachlass unerlässlich:

  • Zugriff auf und Verfügung über Bankguthaben und sonstiges Kapitalvermögen des Erblassers.

  • Die dingliche Umschreibung von Grundstücken (Immobilien), die im Grundbuch auf den Namen des Erblassers eingetragen sind, auf die Erben.

  • Die erforderliche Umschreibung von Kraftfahrzeugen.

  • Die Eintreibung von Forderungen, die dem Erblasser zustanden.

  • Die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten.

  • Die gerichtliche oder außergerichtliche Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses.

  • Die fristgerechte Anmeldung und Entrichtung der Erbschafts- und Schenkungssteuer (Veraset ve İntikal Vergisi).

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Der Erbschein ist das Rechtsinstrument, das den Erben die rechtliche und tatsächliche Verfügungsgewalt über das Nachlassvermögen verleiht und die Abwicklung des Nachlasses ermöglicht.


3. Verfahren und Zuständigkeiten bei der Beantragung des Erbscheins

Die Erlangung eines Erbscheins in der Republik Türkei kann grundsätzlich auf zwei unterschiedlichen Verfahrenswegen erfolgen: entweder über das notarielle Verfahren oder im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens.


3.1. Erbscheinserteilung durch einen Notar

Seit der Novellierung der relevanten gesetzlichen Bestimmungen im Jahr 2010 ist es in einer Vielzahl von Erbfällen möglich, den Erbschein zügig und mit geringerem bürokratischem Aufwand bei jedem Notar innerhalb des Staatsgebiets der Türkei zu beantragen. Dieses Verfahren wird aufgrund seiner Effizienz in der Praxis häufig präferiert und stellt den vorrangigen Weg für die Mehrzahl der unkomplizierten Erbfälle dar, da es im Vergleich zum gerichtlichen Verfahren typischerweise eine kürzere Bearbeitungszeit aufweist. Der Notar prüft die ihm vorgelegten Dokumente eingehend und erteilt auf deren Grundlage den Erbschein.


3.2. Ausnahmefälle, in denen eine notarielle Zuständigkeit nicht gegeben ist

Es existieren jedoch spezifische Fallkonstellationen und rechtliche Gegebenheiten, bei denen die Zuständigkeit des Notars für die Erteilung eines Erbscheins ausgeschlossen ist und die Beantragung zwingend über den gerichtlichen Instanzenzug erfolgen muss. Zu diesen Sonderfällen zählen insbesondere:

  • Sachverhalte, in denen ausländische Staatsangehörige als Erblasser oder Erben beteiligt sind und internationale Übereinkommen oder komplexe grenzüberschreitende Aspekte relevant sind.

  • Das Vorhandensein eines Testaments des Erblassers. Notare sind nicht befugt, Testamente zu eröffnen, deren Echtheit zu prüfen oder über deren Gültigkeit zu entscheiden; diese Befugnisse liegen ausschließlich bei den zuständigen Gerichten.

  • Fälle, in denen die Erbfolge unklar ist oder rechtliche Streitigkeiten über die Erbenstellung oder Erbanteile bestehen, beispielsweise bei nicht eindeutig nachweisbaren Verwandtschaftsverhältnissen oder anhängigen Erbstreitigkeiten.

  • Konstellationen, in denen Personen, die dem Grunde nach Erbe wären, enterbt wurden oder Erbausschlagungen erfolgt sind, was die Bestimmung der endgültigen Erbquoten komplex gestaltet.

  • Fälle der Nacherbfolge (Nachlassteil an eine Person, die erst nach dem Vorerben erbt) oder die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers.

In den vorgenannten Fällen sind die Erben gehalten, den Antrag auf Erteilung des Erbscheins bei dem zuständigen Zivilgericht für Familiensachen (Sulh Hukuk Mahkemesi) einzureichen.


3.3. Das gerichtliche Verfahren zur Erteilung des Erbscheins

Sofern eine notarielle Zuständigkeit nicht gegeben ist, muss der Antrag auf Ausstellung eines Erbscheins bei dem örtlich zuständigen Sulh Hukuk Mahkemesi gestellt werden. Die örtliche Zuständigkeit liegt in der Regel bei dem Gericht am letzten Wohnsitz des Erblassers. Das gerichtliche Verfahren zeichnet sich durch eine höhere Formalität aus und nimmt im Allgemeinen mehr Zeit in Anspruch als das notarielle Verfahren. Das Gericht prüft im Rahmen des Verfahrens die Sach- und Rechtslage umfassend, holt gegebenenfalls Zeugenaussagen ein oder fordert weitere Beweismittel an, um die Erbfolge zweifelsfrei gerichtlich festzustellen. Am Abschluss des Verfahrens erlässt das Gericht einen gerichtlichen Beschluss (Karar), welcher die Funktion des Veraset İlamı erfüllt und die Erben sowie deren Anteile rechtskräftig bestätigt.


4. Welche Unterlagen sind für die Erteilung eines Erbscheins erforderlich?

Unabhängig davon, ob die Beantragung des Erbscheins auf notariellem oder gerichtlichem Wege erfolgt, ist die Vorlage bestimmter grundlegender Dokumente unerlässlich. Zu den in der Regel erforderlichen Unterlagen zählen:

  • Die amtliche Sterbeurkunde des Erblassers (Ölüm Belgesi).

  • Ein gültiges Ausweisdokument des Antragstellers, wie der Personalausweis (Nüfus Cüzdanı) oder ein Reisepass.

  • Präzise Angaben zu den potentiellen Erben, einschließlich deren vollständiger Namen, Nachnamen, aktueller Adressen und, falls zutreffend, Personalausweisnummern.

  • Amtliche Nachweise, welche das rechtliche Verwandtschaftsverhältnis des Antragstellers und der weiteren Erben zum Erblasser belegen (z. B. Geburtsurkunden, und insbesondere aktuelle sowie vollständige Auszüge aus dem Personenstandsregister – Nüfus Kayıt Örneği). Letzterer ist von zentraler Bedeutung, da er typischerweise den relevanten familiären Stammbaum des Erblassers und seiner Nachkommen vollständig abbildet.

  • Sollte ein Testament des Erblassers existieren und die Beantragung gerichtlich erfolgen, ist dieses vorzulegen.

  • Eine ordnungsgemäße Vollmacht (Vekaletname), falls die Beantragung nicht persönlich, sondern durch einen Bevollmächtigten, wie beispielsweise einen Rechtsanwalt, vorgenommen wird.

Es ist zu beachten, dass die zuständige Notarin oder das Gericht im Einzelfall die Beibringung weiterer oder ergänzender Dokumente anordnen kann, um die Erbfolge zweifelsfrei festzustellen.


5. Wie lange dauert das Einholungsverfahren für einen Erbschein?

Die Zeitspanne bis zur Ausstellung eines Erbscheins variiert signifikant und ist maßgeblich vom gewählten Verfahrensweg abhängig:

  • Notarielles Verfahren: In Fällen, die rechtlich unkompliziert sind und bei denen sämtliche erforderlichen Unterlagen vollständig und korrekt vorliegen, kann der Erbschein unter Umständen innerhalb weniger Stunden oder Tage nach Antragstellung erteilt werden. Dieses Verfahren ist in der Regel auf Effizienz ausgelegt.

  • Gerichtliches Verfahren: Das Verfahren vor dem zuständigen Gericht ist typischerweise von längerer Dauer. Die Bearbeitungszeit kann hier von mehreren Wochen bis hin zu etlichen Monaten reichen. Dies ist bedingt durch die Komplexität des zu prüfenden Sachverhalts, die Notwendigkeit eventueller weiterer gerichtlicher Ermittlungen oder Anhörungen sowie die allgemeine Auslastung des zuständigen Gerichts.


6. Was ist zu tun, wenn der Erbschein unrichtig oder unvollständig ist? Widerruf des Erbscheins

Es ist rechtlich möglich, dass ein bereits ausgestellter Erbschein sachliche oder rechtliche Fehler aufweist. Solche Mängel können beispielsweise in der fehlerhaften Benennung von Erben, der Nichtberücksichtigung berechtigter Erben oder der unzutreffenden Berechnung der Erbquoten liegen. In solchen Fällen steht das Rechtsmittel der gerichtlichen Anfechtung des fehlerhaften Erbscheins zur Verfügung.

Jede Person, die ein berechtigtes rechtliches Interesse an der Korrektur des Erbscheins hat (Klagebefugnis), kann eine Klage auf Ungültigkeitserklärung (İptal Davası) dieses Dokuments beim zuständigen Sulh Hukuk Mahkemesi erheben. Ein typisches Beispiel hierfür ist eine Person, die der Ansicht ist, zu Unrecht nicht als Erbe im Erbschein aufgeführt zu sein, oder wenn die dort ausgewiesenen Erbquoten inkorrekt sind. Das Gericht prüft im Rahmen dieses Verfahrens die materielle Richtigkeit des angefochtenen Erbscheins. Stellt es einen Fehler fest, kann das Gericht den ursprünglichen Erbschein für ungültig erklären und/oder die Erteilung eines neuen, korrigierten Erbscheins anordnen.


7. Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Die Praxis des türkischen Erbrechts, insbesondere bei grenzüberschreitenden Bezügen, wirft häufig spezifische Fragen auf. Im Folgenden werden einige typische Fragestellungen behandelt:

  • Kann ein Erbschein für einen türkischen Staatsbürger, der im Ausland verstorben ist, in der Türkei beantragt werden? Ja, eine solche Beantragung ist grundsätzlich möglich, insbesondere wenn sich Nachlassvermögen innerhalb des Staatsgebiets der Türkei befindet. Die Zuständigkeit hierfür liegt in der Regel beim zuständigen Gericht.

  • Ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt bei der Beantragung eines Erbscheins obligatorisch? Für die Beantragung eines Erbscheins auf notariellem Wege ist eine anwaltliche Vertretung in vielen Fällen nicht zwingend vorgeschrieben, wenngleich bei komplexeren Sachverhalten deren Hinzuziehung ratsam sein kann. Bei gerichtlichen Verfahren ist die Beauftragung eines in der Türkei zugelassenen Rechtsanwalts zur Wahrung der Rechte und zur effektiven Verfahrensführung dringend zu empfehlen.

  • Welche Gültigkeitsdauer hat ein ausgestellter Erbschein? Ein nach türkischem Recht ordnungsgemäß erteilter Erbschein ist grundsätzlich nicht mit einer zeitlichen Befristung versehen. Seine materielle Gültigkeit kann jedoch – wie unter Punkt 6 erläutert – durch eine erfolgreiche Klage auf Ungültigkeitserklärung gerichtlich in Frage gestellt werden.


8. Schlussfolgerung und wichtige Empfehlungen

Der Erbschein stellt im Gefüge des türkischen Erbrechts ein Dokument von fundamentaler Bedeutung dar. Seine zeitnahe Erlangung ist für die Erben essenziell, um die rechtmäßige Verfügungsgewalt über den Nachlass zu erlangen und dessen Abwicklung effektiv und rechtssicher vorzunehmen. Bei der Wahl des Verfahrenswegs bietet das notarielle Verfahren in rechtlich eindeutigen Fällen eine schnellere Option, während bei komplexen Sachverhalten, Vorliegen eines Testaments oder bei grenzüberschreitenden Bezügen das gerichtliche Verfahren unausweichlich ist.

Angesichts der potenziellen Komplexität von Erbfällen und den formalen Anforderungen des Erbscheinsverfahrens, insbesondere bei internationalen Bezügen oder absehbaren Meinungsverschiedenheiten unter den Erben, wird dringend empfohlen, frühzeitig die professionelle Expertise eines in der Türkei ansässigen und zugelassenen Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen. Eine qualifizierte rechtliche Beratung kann dazu beitragen, Verfahrensfehler zu vermeiden, die Bearbeitungsdauer zu optimieren und die erbrechtlichen Interessen der Beteiligten bestmöglich zu wahren.


 
 
 

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